Maria und das Zweite Vatikanische Konzil

Johannes XXIII. und die Eröffnung des Konzils


Einige finden es störend, wenn wir Serviten häufig über Maria sprechen und schreiben; sie meinen, es sei ausreichend, von Jesus zu sprechen und sich mit ihm zu beschäftigen. Dass es solche Meinungen gab, gibt und geben wird, braucht man nicht zu kommentieren. Die Kirche allerdings, als Gemeinschaft der Gläubigen, hat die Worte Jesu am Kreuz „Siehe, deine Mutter“ (Joh 19,27) ernst genommen, indem sie sich immer und mit Recht die Frage stellte, welche Bedeutung die Mutter Jesu für unseren Glauben an den Gott Jesu Christi hat. Das Bewusstsein, dass es hier eine Verbindung und einen Zusammenhang gibt, war in der Kirche von Anfang an vorhanden.

Nicht anders war es vor 50 Jahren als Papst Johannes XXIII. im Begriffe stand, das Zweite Vatikanische Konzil einzuberufen. Bereits bei der Ankündigung des Konzils am 25. Jänner 1959 in der Basilika St. Paul vor den Mauern stellte der Papst die Vorbereitung des Konzils unter die „Fürsprache der unbefleckten Mutter Jesu und unserer Mutter“. Am 25. Dezember 1961 veröffentlichte er dann die apostolische Konstitution „Humanae salutis“, in der er auf die aktuelle Gesellschafts- und Kirchenkrise hinwies, die Gründe für die Einberufung des Konzils nannte, dessen Programm vorstellte und über die bereits eingeleiteten Vorbereitungsarbeiten informierte. Gleichzeitig gab er bekannt, welche Kategorien kirchlicher Amtsträger die Teilnahmepflicht an diesem Konzil haben und in welchem Jahr das Konzil beginnen soll. Erwähnenswert für uns, die wir im „Jahr des Glaubens“ stehen, ist einer der Konzilsgründe, den der Papst so ausgedrückt hat: Die Kirche verlangt danach, „durch ein vertieftes Studium ihren Glauben neu zu stärken“.

Zu dieser Vertiefung des Glaubens zählte auch die Frage nach der Stellung Mariens, der Mutter Christi, im Geheimnis der Erlösung und im Bezug auf die Kirche; eine Frage, die für die Konzilsväter viel Zeit in Anspruch nahm. „Humanae salutis“ endet mit einem Gebet um einen guten und glücklichen Verlauf des Konzils. Dieses an den Geist Gottes gerichtete Gebet gibt unter anderem das urchristliche Bewusstsein der Marienverbundenheit wieder: „Gewähre deiner heiligen Kirche, mit Maria, der Mutter Jesu, einmütig im Gebete zu verharren“. Ein weiteres Zeichen, das Johannes XXIII. setzen wollte, war die Wahl des Datums, mit dem das Konzil beginnen sollte. In seinem Schreiben von 2. Februar 1962, dem Fest Mariä Lichtmess, legte er den Beginn des ökumenischen Konzils auf den 11. Oktober 1962 fest; ein Datum, welches „das Konzil von Ephesus ins Gedächtnis ruft, das in den Annalen der Katholischen Kirche einen erstrangigen Platz einnimmt“. Bei diesem Konzil im Jahre 431 wurde nämlich feierlich das Dogma der Gottesmutterschaft der Jungfrau Maria verkündet. Am 4. Oktober, wenige Tage vor der Eröffnung des Konzils, unternahm der Papst eine Wallfahrt mit dem Zug nach Loreto, um die Jungfrau Maria um ihren Beistand für das Konzil zu bitten. Dabei wendete er sich im Gebet an sie als „den Morgenstern des Konzils“ und „das glückliche Licht“, das den Weg zu der bevorstehenden ökumenischen Versammlung erleuchtet.

Die Eröffnung des Konzils wurde von einem feierlichen Fackelzug zu Ehren der Gottesmutter begleitet, denn an diesem Tag feierte die Kirche das liturgische Fest der Gottesmutterschaft Mariens. Diese Lichterprozession bildete eine geistliche Brücke hin zu den Christen und Marienverehrern aus der Zeit des Konzils von Ephesus. Es war bestimmt ein ausdrücklicher Wunsch des Papstes Johannes XXIII., dass auch das Zweite Vatikanische Konzil im Lichte Mariens stattfindet. In seiner Ansprache anlässlich der Schließung der ersten Konzilsperiode am 8. Dezember 1962, am Fest der Unbefleckten Empfängnis, äußerte er seine Überzeugung, dass alle wichtigen Ereignisse der Kirche mit Maria stattfinden, die als Stern leuchtet und mütterlich hilft. Diese Überzeugung konnte auch durch den späteren Verlauf des Konzils in seinen weiteren drei Perioden bestätigt werden, vor allem durch die inhaltlichen Hinweise in fast allen Konzilsdokumenten; aus den 16 Dokumenten, die das Konzil erlassen hat, gibt es nur 4, die keinerlei Hinweise auf Maria enthalten. Johannes XXIII. durfte die Konzilsfortsetzung nach der ersten Periode leider nicht mehr erleben. Er starb infolge einer Krankheit am 3. Juni 1963.

fr. Fero M. Bachorík OSM